Kann sich noch jemand an die wuchtige Drums-Einleitung des Kiss-Klassikers „Love Gun“ erinnern? Genau so startet nämlich „Spielmann“, der Eröffnungstrack von RAGNARÖEKs Erstlingswerk „Rache“. Also eher ungewöhnlich für ein Mittelalterrock-Album. Fast erwarte ich nun Paul Stanleys Gesang zu hören. Doch die Sackpfeifen sind es, die danach die Kontrolle übernehmen und meine Verblüffung wegblasen. Dennoch bleibt der Sound für Mittelalterverhältnisse unerwartet hart. Die Songs von RAGNARÖEK bauen in der Tat auf einem metallischen Fundament auf.Besonders auffällig ist dabei das ordentlich vorantreibende und auch gerne mal in den Vordergrund drängende Schlagzeug. Aber auch die Gitarren lassen in Punkto Riffing keine Zweifel an RAGNARÖEKs Marschrichtung aufkommen. Für die Mittelalterstimmung ist in erster Linie der Dudelsack zuständig, der den toughen Grundsound mit der melodischen Note gut ergänzt. Die Lyrics und die Vocals künden natürlich auch eindeutig Weisen des traditionellen Liedgutes an.Die Kompositionen sind recht gut durchdacht und abwechslungsreich gestaltet. Ein fester Bestandteil sind aber der stampfende Rhythmus und die druckvollen Riffs. Die Unterschiede liegen in den Melodien und der Atmosphäre. Mal geht es melancholisch zu, mal tiefgründig oder auch einfach nur gutgelaunt und straight nach Vorne. Leadgitarre und Dudelsack bilden bei der Melodieführung eine gelungene Einheit.Die Stücke, die mir am besten gefallen, sind der bereits erwähnte wuchtige Opener „Spielmann“, das stimmungsvolle „Meister Röckle“, das mystisch angehauchte, aber mit tollen Riffs und Melodien veredelte „Knochenschiff“, das flotte „Tanz mit mir“ und der instrumental dynamischste Track „Ragnaröek“.Neben einem soliden und ausgefeilten Songwriting, überzeugen mich RAGNARÖEK darüberhinaus durch ihr handwerkliches Können. Selten beeindruckt mich bei einer Band das Schlagzeugspiel, aber ohne das mächtige Rhythmusfundament von Rondall dem Schläger würde bei RAGNARÖEKs Sound eindeutig etwas fehlen. Auch das Leadgitarrenspiel und die Bearbeitung des Dudelsacks gehören zu den besonders erwähnenwerten Parts. Ich frage mich, wie das live funktioniert, da Sänger Charon der Fährmann auch die Sackpfeifen bedient und Gesang und Dudelsack durchaus auch schon mal parallel laufen. Charons Stimme ist rauh, recht tief und sehr kraftvoll. Das unterstützt natürlich das toughe Soundgerüst. Etwas mehr Variablität in der Stimmlage fände ich aber trotzdem nicht schlecht.Bisher begegnete mir mit Ingrimm nur eine Band, die die Bezeichnung Mittelalter-Metal wirklich verdient hat. Ganz so hart sind RAGNARÖEK zugegebenermaßen nicht, doch sie kommen dem bislang am Nähesten. Ihre Musik ist jedenfalls richtig knackiger und dynamischer Mittelalterrock, der sich vor Namen wie In Extremo oder Corvus Corax nicht verstecken muss. Mittelalter-Hardrock ist in meinen Augen eine passende Bezeichnung. Es wird als traditionelles Instrument zwar nur die Sackpfeife (und natürlich Percussion) verwendet, doch man vermisst weitere Folk-Instrumente eigentlich nicht.Wer mal richtig harten Mittelalterrock hören möchte, sollte sich RAGNARÖEKs „Rache“ nicht entgehen lassen.
Bewertung: 8/10Redakteur: Steffen
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